Die meisten Unternehmen verfassen noch immer langweilige Mails ohne jeden Mehrwert. Dabei wäre die Lösung ganz einfach.
Schock für PR-Abteilungen! Die Pressemitteilung ist tot. Wie erst jetzt bekannt wurde, verstarb die PM vor einigen Monaten vereinsamt in einem Papierkorb eines Mail-Accounts. Sie hinterlässt zahlreiche Freunde.
Obwohl die PM – so ihr Nickname – bis zuletzt viele Verbündete in der Kommunikationsbranche hatte, will niemand mitbekommen haben, wie schlecht es um sie stand. PR-Mitarbeiter aus verschiedenen Branchen bekundeten ihr Beileid. Für sie kam die Todesnachricht vollkommen überraschend. „Sie war ein treuer Freund. Ich habe schon Pressemitteilungen verschickt, da gab es noch kein Social Media“, erklärt ein besonders treuer Anhänger. Ein Redakteur eines großen Verlags erklärte hingegen: „Ich habe sie immer ignoriert, jetzt tut es mir unglaublich leid, dass ich mich nicht mehr mit ihr beschäftigt habe.“
Die Untersuchungen zur Todesursache laufen noch. Aus Branchenkreisen ist die Rede von unterlassener Hilfeleistung seitens der Marketing- und PR-Abteilungen. Andere wiederum sprechen von Altersschwäche.
Die Todesursache ist nicht abschließend geklärt, es gibt jedoch mehrere Gründe, warum die PM verstorben sein könnte.
Ein möglicher Grund für ihr Ableben könnte ihre Betreffzeile gewesen sein. Sie litt schon lange an absoluter Einfallslosigkeit – sehr lange. Denn, Pressemitteilungen stammen aus einer Zeit, als Redaktionen sich noch um Nachrichten bemühen mussten. Während heute die Aufgabe vor allem in der Selektion liegt, lag die Hauptaufgabe früher in der Recherche. Pressemitteilungen flatterten den Redaktionen direkt ins Postfach und erleichterten die Suche. Diese Zeiten sind jedoch vorbei. Der Kampf um die Aufmerksamkeit des Redakteurs hat zugenommen. Social Media und unzählige Blogs bieten eine große Menge an Content, zeitgleich erhalten Journalisten immer mehr Mails.
Eine interessante Betreffzeile ist daher um so wichtiger. Leider haben dies die wenigsten Unternehmen bis heute erkannt. Stattdessen müssen Redakteure Sätze lesen wie „Boring-Business launcht Produkt Mustermix“ oder „Musterfirma zum XY-Meister gekürt“. Statt sich in den Empfänger zu versetzen, hacken die PR-Mitarbeiter munter Marketingfloskeln in die Tasten und berauben ihrer Email so jede Chance geöffnet zu werden.
Sind die besten Superlativen aller Zeiten Schuld am Tod der Pressemitteilung?
Firmen lieben Adjektive, Adverben und Superlative: Revolutionär, erstmalig oder Weltneuheit sind Wörter, die in Pressemitteilungen inflationär gebraucht werden. Durch die häufige Verwendung haben sie sich über die Jahre daher abgenutzt. Zum anderen sind sie für Journalisten eine Art Warnung. Sie verraten direkt den werblichen Charakter der Email und erhöhen die Reaktanz des Empfängers. Viele Journalisten wehren sich aus – nennen wir es – berufs-ethischen Gründen vehement dagegen, von Unternehmen eingespannt zu werden. Viele PM, die vor Superlativen, Adjektiven und Adverben strotzen, ignorieren das Interesse und die Bedürfnisse der Empfänger: Redakteure brauchen gute Geschichten. Das Unternehmen hingegen versucht lediglich sich ins beste Licht zu rücken.
Fehlendes Storytelling als Todesursache der Pressemitteilung?
Firmen schreiben PM vereinfacht ausgedrückt aus fünf Gründen: 1. Sie wollen zu einem ganz konkreten Anlass einladen – zum Beispiel zu einer Pressekonferenz. 2. Das Unternehmen möchte auf eine Auszeichnung hinweisen, die es erhalten hat – zum Beispiel von der Stiftung Warentest. 3. Ein neues Produkt oder eine neue Dienstleistung sollen beworben werden. 4. Es gibt eine personelle Änderung im Unternehmen – etwa einen neuen Geschäftsführer. 5. Das Unternehmen gibt wirtschaftliche Zahlen bekannt (je nach Größe veröffentlicht es diese auf einer Pressekonferenz) oder hat einen weiteren Geschäftsbereich erschlossen oder abgegeben – beispielsweise durch einem Zu- oder Verkauf.
Vor allem bei den drei ersten Anlässen möchte die Firma also etwas von den Medien: Sie sollen zur Pressekonferenz kommen, über die Auszeichnung berichten und das Produkt oder die Dienstleistung ihren Lesern vorstellen. Um dies zu erreichen, muss es den Journalisten einen Anreiz bieten. Bei einer Pressekonferenz kann dies zum Beispiel ein besonderer Ort sein. Statt die Medienvertreter in einen Konferenzraum zu bitten, könnten sie zu einer Location geladen werden, die ihnen ansonsten verschlossen bliebe.
Storytelling in Pressemitteilungen beginnt mit dem Ort
Dies kann die Produktionshalle sein, das Lager oder einfach ein Ort mit einer spektakulären Aussicht, der eindrucksvolle Fotoaufnahmen verspricht. So hat der Journalist zum einen ein ganz persönliches Interesse, dort hinzugehen. Zum anderen inspiriert eine außergewöhnliche Location. Sie selbst wird Teil des Artikels und erzählt eine Geschichte. Hohe Berge, große Hallen, breite oder verwinkelte Straßen können zum Storytelling animieren, ein steriler Büroraum erzählt wenig. Wichtig: Journalisten haben wenig Zeit. Die Anreise sollte kurz und problemlos oder vom Veranstalter gut organisiert sein.
Mangelndes Storytelling verhindert ebenso, dass Medien über Auszeichnungen, Produkte oder Dienstleistungen berichten. Während sich die PR- und Marketingabteilungen auf die Kommunikation des „Was“ konzentrieren, vergessen sie das „Warum“. In der Pressemitteilung findet der Empfänger alle Vorteile des neuen Produkts: herausragende Qualität, leiser, sparsamer, leckerer, gesünder und so weiter. Das „Was“ wird ausführlich beschrieben. Das „Warum“ dahinter bleibt verborgen. Warum wurde das Produkt entwickelt? Warum war ein Upgrade nötig? Warum brauchen Menschen es? Es wird kein Versuch unternommen, eine wirkliche Geschichte zu liefern, die außerhalb des Unternehmens jemanden interessiert. Die Aufgabe eines Redakteurs ist es jedoch nicht, für etwas zu werben, sondern den Lesern unterhaltsame Inhalte zu liefern. Wo aber keine Story ist, gibt es keinen Anreiz für den Journalisten, den Inhalt der PM weiterzuerzählen.
Die Todesursache ist nicht geklärt
Es gibt unzählige weitere Gründe, die für den Tod verantwortlich sein könnten: Mangel an Zitaten, keine Ansprechpartner in der Redaktion, falscher Zeitpunkt, Text im Anhang statt direkt in der Email, das Unternehmen kommt aus einer für das Medium nicht relevanten Branche … Die Liste ließe sich noch lange fortführen. Offensichtlich haben PR-Abteilungen jahrelang leichtfertig die Gesundheit der Pressemitteilung riskiert.
Der Autor trauert der Pressemitteilung als praktisches Kommunikationsmittel nach und hofft, dass Unternehmen ihr wieder Leben einhauchen werden. Er steht bei Fragen gerne mit Rat und Tat zur Seite.